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 Bücher: Ende einer Utopie
Ende einer Utopie Mauerbau 1961 in Berlin Ende einer Utopie
Der Mauerbau 1961 in Berlin
Jens Schöne
Taschenbuch
Berlin Story Verlag
1. Auflage, Mai 2011

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„Der Mauerbau war für das Fortbestehen der kommunistischen Herrschaft in der DDR unumgänglich. Es waren die gesellschaftlichen Entwicklungen in der DDR, nicht der Kalte Krieg der Supermächte, die als Ursache für den Bau der Berliner Mauer ausschlaggebend waren. Die scheinbare Alternative zum ›kapitalistischen Weltsystem‹ starb mit dem 13. August 1961.“

Jens Schöne stellt in seinem Buch die Zusammenhänge, die zum Mauerbau führten, anhand von prägnanten Beispielen anschaulich und lebendig dar und untermauert seine These mit zahlreichen Quellen. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt hierbei auf dem geteilten Berlin.
Gut lesbar, fundiert und umfassend präsentiert dieses Buch eine Fülle neuer Erkenntnisse, die zeigen: Der Mauerbau trug im Kern bereits das Ende der sozialistischen Entwicklung Ostdeutschlands in sich.

Leseprobe:

Prolog: Das Reich des Menschen

Die Halle in Ost-Berlin erbebte vor Applaus. Auch der Mann am Pult versäumte es nicht, sich selbst eifrig Beifall zu klatschen.
Dazu schien er allen Grund zu haben, denn in einer langen Rede hatte er soeben das Bild einer zukünftigen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gezeichnet, das an Optimismus kaum zu übertreffen war. Die industrielle Produktion sollte sich in den nächsten sieben Jahren nahezu verdoppeln und das Volkseinkommen um 60 Prozent wachsen. Für die Rüstung sollten keinerlei zusätzliche Mittel aufgewandt, dafür aber über 700 000 neue Wohnungen errichtet werden. Überhaupt würde alles besser werden: die Löhne und Renten steigen, die Arbeitszeiten sinken, Städte und Dörfer aufblühen, die Schulen einen zutiefst humanistischen Charakter erhalten und der soziale Aufstieg aller Bevölkerungsschichten somit zwangsläufig erfolgen. Mithilfe eines »Siebenjahrplans des Friedens, des Wohlstandes und des Glücks des Volkes« würde all dies und vieles mehr bewerkstelligt werden.

Doch die Sache hatte einen Haken. Der Plan selbst war bereits das Eingeständnis des eigenen Scheiterns. Denn nur ein Jahr zuvor war schon einmal ein Plan verabschiedet worden, der ähnliche Versprechungen gemacht hatte, in der Realität aber weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war.
Also wurde nun zum großen Sprung angesetzt. Dabei ging es vor allem um ein Ziel: die ungeliebte Bundesrepublik endlich in den Schatten zu stellen und so der attraktivere der beiden deutschen Staaten zu werden. Aber dazu musste die DDR einiges aufholen, war sie im Verlauf des Jahrzehnts doch immer weiter zurückgefallen. Und jetzt, im September 1959, schien es an der Zeit, dies zu ändern. Als Walter Ulbricht vor der Volkskammer den Siebenjahrplan begründete und damit seine Vorstellungen von der Zukunft zum Besten gab, ging es also um sehr viel mehr als um ökonomische Kennziffern. Der faktisch erste Mann in Partei und Staat ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass hier Grundsätzliches zur Debatte stand: »Wir beweisen vor dem ganzen deutschen Volk: Frieden, soziale Sicherheit, dauerhaften Wohlstand – das bietet nur der Sozialismus. Der Sozialismus wird deshalb siegen«.

Diese Hoffnung war im doppelten Sinne utopisch, Zukunftsvision und Wunschvorstellung zugleich. Seit die kommunistische Partei infolge des Zweiten Weltkrieges die Macht im Osten Deutschlands übernommen hatte, strebte sie danach, das Land und seine Bevölkerung nach ihren Vorstellungen umzubauen. Leitstern dafür war die marxistisch-leninistische Ideologie, wichtigster Orientierungspunkt die politische und gesellschaftliche Entwicklung in der Sowjetunion.
Nach den verheerenden Jahren der nationalsozialistischen Diktatur gab es durchaus Befürworter solch einer radikalen Neuorientierung, doch blieben diese immer in der Minderheit. Schon bald zeigte sich, dass die zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mutierte Kaderpartei in freien Wahlen keine Chance auf eine Mehrheit hatte – also wurden fortan keine freien Wahlen mehr abgehalten. Wer sich dagegen auflehnte, konnte schnell in sowjetischen Lagern oder ostdeutschen Gefängnissen verschwinden.

Schon 1945 hatte Ulbricht intern verkündet, dass zwar alles demokratisch aussehen, tatsächlich aber alle Macht in den Händen der Kommunisten liegen müsse. Dies blieb fortan wichtigste Richtlinie des eigenen Agierens. Doch die Realität ließ sich nur bedingt unter das Joch der Ideologie zwingen. Während die Bundesrepublik seit dem Beginn der 1950er Jahre einen rasanten Aufschwung erlebte, ging es in der DDR nur schleppend voran. Dafür gab es eine ganze Reihe von Gründen, der entscheidende aber war, dass eine einzige politische Kraft glaubte, für alle anderen denken, handeln und entscheiden zu können. Wer immer sich diesen Entscheidungen widersetzte, wurde zum Klassenfeind degradiert und entsprechend bearbeitet.
Das hatte nicht zuletzt zur Folge, dass es zu scharfen Widersprüchen zwischen Herrschaft und Gesellschaft kam, die sich am spürbarsten im Volksaufstand vom 17. Juni 1953 entluden. An jenem Tag wurde mehr denn je deutlich, dass die Deutsche Demokratische Republik weder demokratisch noch eine Sache des Volkes war, sondern eine Parteidiktatur, die ihre Macht im Ernstfall auch von sowjetischen Panzern sichern ließ.

(c) Text: Berlin Story Verlag
Mit freundlicher Genehmigung

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