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 Buchvorstellung: Morgen wird alles besser
Morgen wird alles besser Morgen wird alles besser
Zeitzeugen-Erinnerungen zur Währungsreform 1948
West-Deutschland 1947-1952
39 Geschichten und Berichte von Zeitzeugen.
352 Seiten mit vielen Abbildungen,
Ortsregister, Chronologie, gebunden.
Reihe Zeitgut Band 22
Zeitgut Verlag, Berlin
Willi Blaudow

Zum Stillschweigen verpflichtet   
  
Zur Zeit der Währungsreform 1948 war ich Grenzpolizist in Hessen. Diese Reform sollte für mich zu einem besonderen Erlebnis werden. Zunächst kannte keiner das genaue Datum der Währungsumstellung, aber viele ahnten, daß so etwas bevorstand, weil die Geschäfte kaum noch Waren anbo­ten. Es wurde alles für den großen Tag gehortet.

Auch wir Grenzpolizisten waren nicht genau informiert. Erst einige Stunden vor dem großen Ereignis bekamen wir Bescheid, daß es kein dienstfrei gäbe und wir uns mit allen Waffen im Grenzpolizeikommissariat einzufinden hätten. Dort erfuhren wir nur, daß eine strenggeheime Sache anlaufen würde. Wir durften nicht mehr in unsere Quartiere, sondern stiegen gleich in die Mannschaftstransportwagen, MTW genannt, und fuhren ohne Bekanntgabe von Gründen und Zielort los gen Westen. Nur der Fahrer wußte, wohin die Reise gehen sollte.

Als wir unseren Bestimmungsort erreichten, war es Nacht geworden. Wir dachten, daß wir nun sicherlich Näheres über unseren geheimen Auftrag erfahren würden, doch wir bekamen nichts zu hören. Aufmerksam wurden wir erst, als wir plombierte Säcke und Alu-Kästen mit der Aufschrift „DEUTSCHE BANK“ in unseren MTW laden mußten. Da dämmerte es diesem oder jenem, daß schon mal die Rede von Geldentwertung und Geldumtausch war. Auf Fragen bekamen wir selbst jetzt noch keine Antwort. Als unser MTW voll beladen war und der Fahrer, ein Bediensteter vom Kommissariat, und wir vier Grenzer zwischen den Säcken und Alu-Kästen gerade noch Platz fanden, kam ein Polizeikommissar zu uns an den Wagen und erklärte in militärisch strengem Ton: „Nun, meine Herren, Sie sind ja zum Stillschweigen verpflichtet worden! Sollten Sie diese Verpflichtung nicht einhalten, werden Sie wegen Geheimnisbruch bestraft! Merken Sie sich das gut! Laden Sie sofort Ihre Waffen durch, bleiben Sie während der Fahrt aufmerksam und schlafen Sie ja nicht ein! Und nun, Gott befohlen, gute Fahrt!“ 
Wir luden unsere Karabiner durch und ab ging die Post. Was muß das für eine tolle Sache sein, wenn der Polizeikommissar uns Gott empfiehlt?

Der Fahrer, sonst ein rechtes Plapper­maul, blieb schweigsam wie ein Grab. Nur der Bedienstete vom Kommissariat sagte: „Ja, Kollegen, es ist was Großes im Busch, aber zerbrecht euch darüber nicht die Köpfe, ihr werdet alles noch früh genug erfahren. Sollte unterwegs wider Erwarten etwas passieren, sprin­gen wir sofort allesamt aus dem Wagen und kreisen ihn ein. Notfalls müssen wir von der Waffe Gebrauch machen und schießen, aber nur, wenn ich es befehle!“ Das war ja nun deutlich genug. Schießen auf Befehl, da mußte ja etwas sehr Brisantes in den Säcken und Kästen sein!

Endlich äußerte jetzt auch ein Kollege seine Ansicht über diesen Ein­satz: „Ja, wißt ihr, ich war mal kurze Zeit bei einer Bank beschäftigt, und da haben wir immer von den Geldtransportfirmen das Papier- und Hartgeld in solchen Säcken und Alu-Kästen gelie­fert bekommen. Ich glaube fast, wir haben zur Zeit wohl etliche Millionen unter unseren Hintern!“ „Seien Sie ruhig! Warten Sie ab, dann werden Sie alles erfahren!“, wurde die Rede des Kollegen unterbrochen.

Glücklicherweise passierte unterwegs nichts, die Straßen waren fast leer, und so kamen wir schnell vorwärts. Die Kollegen, die Ausblick in Fahrtrichtung hatten, sahen, daß wir an markanten Örtlichkeiten und Ortsschildern vorbei in Richtung Sowjetische Be­satzungszone fuhren. Es war schon gegen Morgen, als wir die erste grenznahe Ortschaft er­reichten und vor einer Bank hielten. Wir mußten nun die Säcke und Alu-Kästen in die Bank schleppen, wo sie von Bankbeamten in Empfang genommen und registriert wurden. Dann be­scheinigten sie unserem Vorgesetzten, was sie bekommen hatten, und weiter ging die Fahrt zur nächsten Ortschaft im Grenzbereich zwischen Bebra und Hünfeld.
Von den Bankbeamten erfuhren wir nun auch, was dieser seltsame Geldtransport zu bedeuten hatte. Es mußten wohl Milliarden Mark sein, die wir und die anderen Kollegen transportierten.

Und es sickerte auch durch, daß es am gleichen Tage neues Geld geben würde. So war es dann auch. Es war der 21. Juni 1948, der Tag der Währungsreform. Jeder bekam vierzig Deutsche Mark aus­gehändigt, das heißt, umgetauscht gegen vierzig alte Reichsmark. Da nun in den Geschäften plötz­lich wieder alles in den Regalen lag, war dieses Geld schnell ausgegeben. Wir Grenzpoli­zisten und wahrscheinlich alle Beamten warteten nun auf unser Gehalt, das uns nun ja auch in DM ausgezahlt werden müßte. So war es dann auch.

Text mit freundlicher Genehmigung
der Zeitgut Verlag GmbH

Foto: (c) Zeitgut Verlag, Währungsschlange Frankfurt am Main 1948
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